Ganzlin
Von den Wenden, die im 2. bis 6. Jahrhundert in das Gebiet zwischen Elbe und Oder einwanderten, leiten die Sprachwissenschaftler fast alle Namen ab, wie sie heute noch die Städte und Dörfer in Mecklenburg-Vorpommern tragen. Gantzelin, Ganzelin, Ganzlin – in solchen Formen ist der Name des Dorfes in Urkunden und auf Landkarten zu erkennen. Die Sprachforscher sind sich darin einig, dass die Endung -in bei den slawischen Vornamen den Besitz anzeigt. Gaselin, Ganzelin geht auf den wendischen Vornamen Gasla zurück, demnach ist Gaselin das Dorf, der Besitz des Gasla.
Das Dorf Ganzlin wurde erstmals im Jahr 1346 in einer Verkaufsurkunde urkundlich erwähnt. Der Adlige Iwan von Below verkaufte das Dorf Ganzlin an das Kloster Stepenitz. In den folgenden Jahrhunderten wechselte der Ort oft seinen Besitzer. Im Dreißigjährigen Krieg hatte Ganzlin, wie die umliegenden Dörfer auch, unter hohen Verlusten zu leiden.
Der industrielle Aufschwung in Mecklenburg im 19. Jahrhundert wirkte sich auch auf das Leben in Ganzlin aus. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie 1886/87 zwischen Güstrow und Meyenburg und dem Abzweig nach Röbel (1899) entstand in Ganzlin ein Eisenbahnknoten für den Personen- und Güterverkehr. Der wirtschaftliche Aufschwung setzte sich mit der Gründung der Brennerei 1887 fort. So konnten Kartoffeln und Getreide vor Ort verarbeitet werden. Das Leben im Dorf veränderte sich. 1903 ist die Gemeinde infolge der günstigen Lage ein Eisenbahn- und Chausseeknotenpunkt. Neue Berufe waren Bahnhofsvorsteher, Brennereiverwalter, Maschinenputzer, Weichenwärter u. a.
Die Kirche brannte Anfang des 20. Jahrhunderts ab, wurde aber bereits 1903 in neugotischem Backsteinstil wieder aufgebaut. Das Gutsdorf Ganzlin erfuhr seine nächste Wandlung nach dem zweiten Weltkrieg. Mecklenburg wurde von Vertriebenen und Flüchtlingen überschwemmt. Auch Ganzlin musste viele Familien aufnehmen und (anfangs nicht unbedingt freiwillig) in die Dorfgemeinschaft integrieren. In der Zeit der DDR entwickelte sich Ganzlin zu einem lebenswerten Ort.
Durch die Gründung der LPG / KAP und die zunehmende Technisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft kamen neue Einwohner zum Arbeiten und Leben hierher. Einfamilienhäuser und Wohnblöcke wurden gebaut, die Bevölkerung nahm zu und gaben Handwerk und Gewerbe eine Existenzgrundlage, wie z. B. Bäcker, Sattler, Stellmacher, Schneider sowie dem Dorfkonsum und der Gaststätte.
Arbeitsplätze gab es in der LPG, im Trockenwerk, bei der Bahn, in der Molkerei, in der Brennerei, im Kindergarten oder in der Schule. Ganzlin war zentraler Schulstandort für die umliegenden Dörfer. Je nach Schülerzahlentwicklung gab es allerdings zeitweise Außenstandorte der Schule in Gnevsdorf und Retzow und verschiedene Entwicklungsstadien in der Kooperation mit der Wendisch-Priborner Schule.
Nach der Wende 1989 wurde das Gewerbegebiet Ganzlin als Ansiedlungsstandort für Investoren angeboten. In den 90er Jahren wurden hier wiederum moderne Arbeitsplätze in Betrieben geschaffen, wie Ganzlin Beschichtungspulver GmbH, Fries GmbH, Fiat-Autohaus, Metallbau Senkbeil, usw.
Die Bedeutung der traditionellen Gewerke und auch der Landwirtschaft ging allerdings schnell aufgrund der mangelnden Wirtschaftlichkeit und der Rücküberführung von genossenschaftlichem in Privateigentum verloren. Auf einem Großteil der Ganzliner landwirtschaftlichen Flächen wird inzwischen Kies abgebaut. Molkerei, Brennerei und Bahn gehören der Geschichte an. Der Konsum schloss seine Türen und ersatzweise Versuche privater Einzelhändler, hier Fuß zu fassen, waren nur vorübergehend erfolgreich. Viele Berufstätige pendeln täglich von zu Hause in die umliegenden Städte zur Arbeit oder fahren sogar weite Strecken in die Zentren Hamburg, Berlin, Schwerin, Rostock. Die Schule wurde 2010 aufgrund mangelnder Schülerzahlen geschlossen. Geblieben sind die Kita, die Gaststätte mit Hotel, einige mobile Versorger und der regelmäßige Linienbusverkehr nach Süden und Norden als Ersatz für die Bahn.
Eine nachwendliche Errungenschaft der Ganzliner ist allerdings der Ganzliner Sportverein. Der Verein und die Freiwillige Feuerwehr halten gemeinsam das kulturelle Leben im Dorf aufrecht, organisieren Veranstaltungen und beziehen Jung und Alt in die Aktivitäten ein. Die Turnhalle der Schule wird weiterhin regelmäßig für viele Sportgruppen von Kitakindern bis Senioren genutzt, ebenso der Fußballplatz und das Gemeindezentrum mit Dorfplatz für regelmäßige Events. Inzwischen landesweit berühmt ist Ganzlin durch die jährliche Austragung des Internationalen „Bürgermeister-Jochen-Koch“-Volleyballturniers (BJK-Turnier) das seit 1994 mit ca. 100 Mannschaften aus Nah und Fern stattfindet.
Durch die Lage im Kreuzungsbereich der L17 und der B103 ist Ganzlin verkehrsmäßig gut angeschlossen, was nicht nur für die angesiedelten Unternehmen wichtig ist. Die Autobahnen A19 und A24 sind schnell zu erreichen, so dass die Wege nach Rostock, Berlin und Hamburg, sowie zur Landeshauptstadt und zur Ostsee relativ kurz sind. Die schöne landschaftliche Lage zwischen Buchberg und Plauer See machen Ganzlin zu einem lebenswerten Ort.